Viele Menschen sprechen über Judith von Halle, kennen ihre Bücher, haben sie gelesen. Und die Frage stellt sich: Hat man es mit einer Eingeweihten zu tun? Mit jemandem, der die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners ergänzt und erweitert? – Die niederländische Anthroposophin Mieke Mosmuller hat sich geisteswissenschaftlich mit den Büchern von Judith von Halle auseinandergesetzt. In ihrem eigenen Buch: „Stigmata und Geisterkenntnis. Judith von Halle versus Rudolf Steiner“ belegt sie ausführlich, wie jene Bücher und die darin enthaltenen „Erkenntnisse“ mit Anthroposophie oder esoterischem Christentum nichts zu tun haben.
Judith von Halle trägt nach eigenen Angaben seit Ostern 2004 Stigmata und erlebt seitdem jeden Freitag die Ereignisse der Zeitenwende mit, den Tod und die Auferstehung Christi. Seit 2005 („Und wäre er nicht auferstanden...“) veröffentlichte sie sieben Bücher über ihre Schauungen – erschienen im Verlag am Goetheanum.
Der zentrale Ansatzpunkt von Mieke Mosmuller ist die Frage, was sich bei dem unbefangenen Mitdenken mit den Worten Judith von Halles zeigt – und bei dem Vergleich mit den Schilderungen von Rudolf Steiner. Die Autorin zieht beidseits umfangreiche Zitate heran und weist nach, wie Judith von Halle Erkenntnisse Steiners benutzt, um eigene Aussagen zu stützen, wobei sie aber Steiners Erkenntnisse derart verdreht und missversteht, dass man von einer völligen Irreführung sprechen muss.
Das Grundproblem ist die von Judith von Halle beanspruchte sinnliche Wahrnehmung der Ereignisse der Zeitenwende und ihre Behauptung, dass ihr dies durch den Auferstehungsleib, das Phantom, möglich sei. Dieser Behauptung hält Mieke Mosmuller ausführliche Darstellungen über das Phantom entgegen, in denen sie – auf der Grundlage ihres eigenen jahrzehntelangen Schulungsweges – zeigt, dass mit diesem rein geistigen Urbild des physischen Leibes rein geistig wahrgenommen wird. Und ihrem Buch stellt sie als Motto den folgenden Satz Rudolf Steiners voran: ‚Alles, was sich noch so zeigt, wie in der physischen Welt, ist eben Vision.' (GA 227).
Mieke Mosmuller weist darauf hin, dass der Geistesschüler sein Denken innerlich so stark machen muss, dass dieses in sich die Kraft der Wahrheit selbst aufnimmt und das Wahre vom Unwahren von innen her unterscheiden lernt: Das Mitdenken von Gedanken anderer wird dann ganz konkret als möglich oder eben als unmöglich, ja krankmachend erlebt – etwa bei der Vorstellung, Christus habe vor dem Abendmahl eigenhändig zwei Lämmer geschächtet.
Neben den inhaltlichen Widersprüchen zu den Darstellungen Rudolf Steiners weist Mieke Mosmuller auch auf die Art und Weise hin, wie Judith von Halle ihre Erkenntnisse schildert: Über das Größte und Heiligste wird scheinbar objektiv, in Wahrheit aber mit einem subtilen Hochmut gesprochen, ohne jede Scheu oder Verehrung – auch wenn sie wiederholt das Gegenteil beteuert.
Die sinnlichen Schilderungen der Zeitenwende durch Judith von Halle sind Folge eines viel zu sinnlichen Denkens, das vom Wesen wirklich geistiger Erkenntnis nichts ahnt. Dies zeigt sich zum Beispiel, wenn sie behauptet, zur Zeitenwende begann der Ätherleib zu sklerotisieren (!) und die Physiognomie etwa der Peiniger des Christus zu „vertieren“, was einige Renaissance-Maler aufgegriffen hätten. Dass es sich hier um Imaginationen für deren niederes Seelenleben handelt, kann Judith von Halle nicht begreifen.
Diese versinnlichten Schilderungen erstrecken sich bis auf Vorgänge, die wenn überhaupt geistig wären. Angeblich hätten auf dem Kreuzweg Diener der Elohim das Ätherische der Absonderungen, von Hautfetzen, Blut und Schweiß des Christus „aufgesammelt“ und damit die Folterwunden wieder „aufgefüllt“, damit dem Auferstehungsleib nichts fehle! Der Ätherleib Christi braucht aber keinerlei Heilung, denn er ist die Zusammenfassung aller Heilkräfte, und die Hierarchien sind ein Teildessen. Auch die heilige Leibesform des Phantom wurde durch die Folterungen gar nicht berührt.
Mieke Mosmuller weist detailliert nach, wie Judith von Halle an verschiedensten Stellen in bezug auf die spirituelle Menschenkunde und andere Fragen in Widerspruch zu Steiners Schilderungen steht – auf den sie sich doch stützen will. Immer sind ihre Schilderungen zu sinnlich, zu oberflächlich oder in anderer Weise einfach falsch. An mehreren Stellen macht die Autorin deutlich, dass sie nur die wichtigsten Widersprüche aufzeigt, obwohl man zu